BIOS-BW fordert schnelles Handeln bezüglich einer Kostenfalle für Gewaltopfer
BIOS-BW erhebt im Rahmen des Opferschutztages eine rechtspolitische Forderung.
Am 12.12.2019 hat der Gesetzgeber im Rahmen des neugeschaffenen Gesetzes zur Regelung der Sozialen Entschädigung (im folgenden SGB XIV) als schnelle therapeutische Hilfe für traumatisierte Opfer von Gewalt- und Sexualstraften die Einführung von Traumaambulanzen vorgesehen und zwar bereits zum 1. Januar 2021 und nicht, wie die übrigen Regelungen des SGB XIV, erst zum 1. Januar 2024. Mit der Opfer- und Traumaambulanz Karlsruhe Baden (OTA) unterhält der Verein eine der größten Einrichtungen dieser Art in Baden-Württemberg. Die Eröffnung der ersten Außenstelle der OTA in Pforzheim ist in Kürze vorgesehen. Danach kann ein/eine Geschädigte/r seit dem 1. Januar 2021 nunmehr bis zu 15 therapeutische Sitzungen in einer Traumaambulanz unentgeltlich wahrnehmen.
Auch auf Initiative von BIOS-BW hat der Gesetzgeber dabei die Leistung dieser sog. „Schnellen Hilfen in einer Traumaambulanz“ von der oft rechtlich sehr schwierigen Frage getrennt, ob dem Opfer- einer Gewalt- bzw. Sexualstraftat wegen der an ihm/ihr begangenen Straftat ein dauerhafter Anspruch nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) gegen den Staat zusteht.
Da ein solcher Anspruch auf kostenlose Hilfe nach aktueller Rechtslage damit nicht in jeden Fall besteht, hat der Gesetzgeber ausdrücklich vorgesehen, dass im Rahmen der notwendigen Sachaufklärung,
die Kosten der ersten beiden Sitzungen in einer Traumaambulanz auch dann vom Staat getragen werden müssen, wenn sich später herausstellt, dass ein Anspruch auf Kostenübernahme durch den Staat nicht besteht (§ 11 Abs. 5 SGB XIV).
Hintergrund dieser Vorschrift ist der Umstand, dass traumatisierte Opfer von Straftaten zumeist nicht sogleich über die Tat und deren Umfang sprechen können, weshalb nach der Intention des Gesetzgebers zunächst nach einer oftmals gebotenen psychischen Stabilisierung eine Sachaufklärung durch die Traumaambulanz erfolgen soll, ohne die/den Geschädigte/n mit Kosten dieser Sachaufklärung zu belasten.
Allerdings hat der Gesetzgeber vergessen, die vorzeitige Geltung dieser Vorschrift zeitgleich mit dem Leistungsanspruch ebenfalls zum 1. Januar 2021 ausdrücklich im Gesetz aufzuführen, was für die Betroffenen von Straftaten leicht zu einem Kostenrisiko führen kann.
Ein aktuelles Beispiel: Stellt sich etwa erst während des Aufnahmegesprächs in der Traumambulanz heraus, dass der/die Hilfesuchende nicht Opfer einer Vergewaltigung geworden ist, sondern ihr/ihm eine solche lebensnah und mit schweren psychischen Folgewirkungen angedroht wurde, kommen die zuständigen Verwaltungsbehörden derzeit für die Kosten der Behandlung, entgegen der gesetzlichen Intention, nicht auf. Grund ist, dass nach der bisherigen Rechtsprechung die lebensnahe Androhung einer körperlichen Misshandlung keine Gewalterfahrung im Sinne des § 1 OEG darstellt. Derzeit trägt jedenfalls in Karlsruhe die Kosten noch der Verein. Eine von der Geschädigten erhobene Musterklage wurde am 20. Oktober 2021 beim Sozialgericht in Karlsruhe eingereicht. Die weibliche Betroffene ist – wie BIOS-BW – der Ansicht, es handle sich um ein Redaktionsversehen und hält ihren Anspruch für begründet. Diese Unsicherheit darf nicht weiter andauern. Daher erheben wir folgende Rechtspolitische Forderung:
Wir fordern den Gesetzgeber hiermit auf, das gesetzgeberische Versehen umgehend zu beseitigen und gesetzlich klarzustellen, dass das Opfer einer Straftat in jedem Fall, in den ersten beiden Therapiestunden, der Sachaufklärung in einer Traumambulanz, von den Kosten der Behandlung freigestellt ist.
Gesetzliche Vorschriften zur Traumaambulanz
§ 11 SGB XIV (Beginn der Leistungserbringung, Kostenregelung für die erste Inanspruchnahme Schneller HiIfen)
(Abs. 5) Die Kosten für die beiden ersten Sitzungen in der Traumaambulanz sowie die erste Kontaktaufnahme durch das Fallmanagement werden auch dann getragen, wenn Ansprüche nach diesem Buch nicht bestehen, auch nicht im erleichterten Verfahren nach § 115.
§31 SGB XIV (LeistungenineinerTraumaambulanz)
(Abs.1) In einer Traumaambulanz wird psychotherapeutische Intervention erbracht, um den Eintritt einer psychischen Gesundheitsstörung oder deren Chronifizierung zu verhindern.
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§ 115 SGB XIV (Erleichtertes Verfahren bei Leistungen der Schnellen Hilfen)
(Abs.1) Leistungen der Schnellen Hilfen werden in der Regel im Erleichterten Verfahren erbracht.
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(Abs.2) Im Erleichterten Verfahren genügt es, wenn eine summarische Prüfung ergibt, dass die antragstellende Person nach dem Recht der Sozialen Entschädigungsanspruchs berechtigt sein kann. Dabei ist der im Antrag dargelegte Sachverhalt als wahr zu unterstellen, wenn nicht dessen Unrichtigkeit offensichtlich ist.
(Abs.3) Im Erleichterten Verfahren wird weder eine Feststellung über die Richtigkeit oder Unrichtigkeit des von der antragstellenden Person vorgetragenen Sachverhaltes noch über das Bestehen oder Nichtbestehen weiterer über die Schnellen Hilfen hinausgehende Ansprüche getroffen.
§ 138 SGB XIV (Besonderer zeitlicher Geltungsbereich für die Opfer von Gewalttaten)
(Abs.1) Dieses Buch gilt für Anträge auf Leistungen der Sozialen Entschädigung, die ab dem 1. Januar 2024 gestellt werden, soweit die Vorschriften dieses Kapitels nichts Abweichendes bestimmen.
(Abs.7) Für Taten im Zeitraum vom 1. Januar 2021 bis zum 31. Dezember 2023 sollen für Geschädigte, Angehörige, Hinterbliebene und Nahestehende im Sinne des §2 die Leistungen nach den §§31 bis 36 erbracht werden, wenn die Voraussetzungen nach dem Opferentschädigungsgesetz in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung erfüllt sind. Art. 60 G-SER
(Abs.5) Art.1 § 2, § 31 – 37, § 111-112, § 115 -116 und § 138 Abs. 7 treten am 1. Januar 2021 in Kraft
(Abs.7) Im Übrigen tritt das Gesetz am 1. Januar 2024 in Kraft.
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